Ein neues Kapitel
in der Geschichte der Silberpfeile
Am
vergangenen
Sonntag war in Schanghai so ein Tag. Nico Rosberg gewann bei seinem
111. Grand Prix-Start sein erstes Formel 1-Rennen – und das
111 Jahre (und drei Wochen) nach dem ersten Mercedes-Sieg bei der
„Rennwoche von Nizza“ im Jahr 1901.
Weiterhin
jährt sich der WM-Titelgewinn von
Nicos Vater Keke in diesem Jahr zum 30. Mal. Heute wie damals gab es
drei
verschiedene Sieger in den ersten drei Saisonläufen
– zumindest auf der
Strecke, denn die ersten Beiden des Brasilien GP wurden damals wegen
technischer Abweichungen disqualifiziert. Mit
seinem Sieg gehört
Nico ab
sofort zu jenem auserwählten Kreis an Rennfahrern, die einen
Grand Prix in
einem Silberpfeil gewonnen haben. Die Geschichte der silbernen
Mercedes-Benz
Grand-Prix-Rennwagen reicht bis in den Juni des Jahres 1934
zurück. Damals gab
der Mercedes-Benz W 25 sein Debüt beim Eifelrennen auf dem
Nürburgring - der
Sieger hieß Manfred von Brauchitsch. Nico fügte
dieser Tradition nun nach 78
Jahren ein neues Kapitel hinzu.
Insgesamt haben acht Fahrer
einen Grand Prix am Steuer eines Werksrennwagens von Mercedes-Benz
gewonnen:
Vor Nico Manfred von Brauchitsch, Rudolf Caracciola, Luigi Fagioli,
Juan Manuel
Fangio, Hermann Lang, Stirling Moss und Richard Seaman. Seit
Einführung der
Formel 1-Weltmeisterschaft im Jahr 1950 wurde nur drei Fahrern diese
Ehre
zuteil: Fangio, Moss und Rosberg. Nicos Sieg war der zehnte Erfolg
eines
Werks-Silberpfeils von Mercedes-Benz in der Formel 1. Gleichzeitig war
es der erste
Sieg eines deutschen Fahrers am Steuer eines Silberpfeils seit Hermann
Lang im
GP der Schweiz 1939. Zwischen diesen beiden Siegen liegen 26.537 Tage.
Nico ist aber nicht nur einer
der wenigen, siegreichen Mercedes-Benz Werks-Fahrer in der Formel 1,
sein
Fahrzeug, der Mercedes AMG F1 W03, gehört einem noch
exklusiveren Club an: dem
der sechs bei einem Grand Prix siegreichen Silberpfeile. Damit folgt
das Auto
der Tradition des W 25 (eingesetzt in den Jahren 1934-1936), des W 125
(1937),
des W 154 (1938/39), des W 165 Voiturette (Tripolis
GP 1939) sowie des W 196 (1954/55). Am vergangenen Sonntag durfte
sich jedoch nicht nur Nico als Sieger fühlen. Mit den
McLaren-Mercedes Fahrern
Jenson Button und Lewis Hamilton (Zweiter und Dritter) standen zum
zweiten Mal
innerhalb der letzten drei Jahre ausschließlich Fahrer mit
Mercedes-Power auf
dem Podium in China – das gab es erst zum dritten Mal in der
Formel
1-Geschichte. Nicos Sieg war der 90.
für
Mercedes-Benz Motoren in der Formel 1. Er ist der zwölfte
Fahrer, der einen
Formel 1-Sieg mit einem Mercedes-Motor erzielte. Seit David Coulthard
in
Australien 1997 mit McLaren-Mercedes den ersten Sieg des Unternehmens
in der
modernen Ära einfuhr, gewann Mercedes 81 Mal in 264 Rennen
– eine Siegquote von
mehr als 30%. In den ersten drei Rennen standen in dieser Saison drei
Mal
ausschließlich Fahrzeuge mit Mercedes-Benz Motoren in Reihe
eins. Damit
rechtfertigt der in Brixworth gebaute V8-Motor den inoffiziellen Status
als
Motoren-Weltmeister, der in den vergangenen drei Saisons jeweils mehr
WM-Punkte
als jeder andere Motorenhersteller erzielte.
Q&A
mit Norbert Haug, Mercedes-Benz Motorsportchef
Der
gestrige Sieg war ein historischer Moment, der erste für ein
Werks-Silberpfeil seit 57 Jahren. Was bedeutet das für Sie?
„Dieser
Sieg ist der Lohn für alle Kollegen,
die so hart gearbeitet haben und sich nie von ihrem großen
Traum – Rennen in
der Formel 1 zu gewinnen – haben abbringen lassen. Er ist
auch Beispiel dafür,
dass man erreichen kann, was man erreichen will, wenn man die richtigen
Voraussetzungen schafft und unnachgiebig die richtige Richtung
verfolgt. Nico
war gestern große Klasse und überlegen, sein Sieg
war souverän und mit 20
Sekunden
Vorsprung."
Wie
sahen Ihre Gefühle während des Rennen und nachdem
Nico die Ziellinie
überquert hat aus?
„Ich
war ziemlich cool unterwegs, hatte ein
gutes Gefühl und dachte schon nach ein paar Runden "heute
packen wir
es". Schade dass dann Michael Schumacher auf Platz zwei liegend nach
dem
Boxenstopp das Problem mit der nicht korrekt befestigten Radmutter
hatte, wir
hatten durchaus einen Doppelsieg in der Hand. Als Nico über
die Ziellinie fuhr,
war das ein erhebendes Gefühl – Freude pur,
für alle, die so hart für diesen
Sieg gearbeitet hatten."
Und
es war ja nicht nur der Sieg von Nico, dreimal Mercedes-Power auf dem
Podium...
„Drei
von drei möglichen ist natürlich die
Sahne obendrauf – besser geht es nicht. Wir haben lange genug
mit McLaren
gearbeitet und sind mit dafür verantwortlich, dass
McLaren-Mercedes heute dort
steht, wo es steht. Am letzten Sonntag haben wir sie geschlagen - fair
and
square - und sie waren die Ersten, die uns gratuliert haben."
Nico
ist nun Teil eines sehr exklusiven Clubs von Fahrern, die mit einem
Silberpfeil ein Formel 1-Rennen gewonnen haben. Was können wir
noch von ihm
erwarten?
„Nico
wird so gut sein, wenn wir dafür die
Voraussetzungen schaffen. Er hat das gestern gezeigt. Und Michael ist
nicht
weniger gut drauf, wenn sein Auto ihm die Möglichkeit gibt."
Was
haben Sie über Michael gedacht, als er das Rennen aus der Box
anschauen
musste?
„Das
war schade für Michael – er hätte den
Podiumsplatz so verdient gehabt. Aber der wird kommen und schon heute
weiß
jeder, der einst kritisiert hatte, wie wichtig und wie richtig es war,
Michael
Schumacher ins Team zu holen. In zwei der drei Qualifyings in diesem
Jahr hat
Michael Nico geschlagen – und Nico hat letzten Sonntag
gewonnen. Michaels
Startplätze 2012 zeigen seinen Trend: Vier in Australien, drei
in Malaysia,
zwei in China."
Herr
Haug, Sie sind ein echter Racer. Was können wir noch von
dieser Saison
erwarten, in der es in drei Rennen, drei Sieger gab und insgesamt
bereits 17
Fahrer gepunktet haben?
„Dies
ist die beste Formel 1-Saison aller
Zeiten und härter umkämpft denn je – und
gerade das macht unseren Sieg so
wertvoll. Der amtierende Weltmeister war im Qualifying knapp
über drei Zehntel
langsamer als der Schnellste – und musste als Elfter
losfahren. Rosberg
startete als Erster, Vettel als Elfter, das zeigt für welche
Überraschungen die
Formel 1 gut ist."
Verändert
das Resultat die Team-Ziele für diese Saison?
„Wir
wollen uns fortlaufend steigern, die
Füße auf dem Boden halten und keine
unnötigen Wellen machen, von denen gibt's
in der Formel 1 schon mehr als genug. Was mir jetzt ganz besonders
gefiel: Die
ganze Welt hat sich mit uns über unseren ersten Sieg mit
unserem jungen Team
gefreut. Und Daimler gibt heute weniger als die Hälfte
für die Formel 1 aus als
noch vor fünf Jahren und sind trotzdem mit einem eigenen Team
siegfähig. Unser
Erfolg vom letzten Sonntag ist uns allen Ansporn, noch besser zu
werden."