Eilige Drucksache - seit drei
Jahrzehnten
Putting on the Pressure - for Three
Decades
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30 Jahre 911 Turbo
Auf dem Pariser
Salon 1974 stand ein Auto, das schon von weitem die Blicke durch sein
außergewöhnliches Äußeres magisch anzog:
Auf seiner Heckklappe prangte ein ausladender
Heckflügel, durchsetzt mit Lüftungsschlitzen und eingerahmt von
einer dicken Gummilippe. Was sich darunter verbarg, bescherte selbst
hartgesottenen Porsche-Fahrern feuchte Hände: Ein drei Liter großer
Sechszylinder-Boxermotor mit Turbo-Lader, 260 PS stark, gut für 250
km/h und so giftig wie eine reinrassige Rennmaschine. Und das war sie im
Grunde genommen auch: Der Porsche 911 Turbo setzte sich nicht nur als schnellster
deutscher Straßensportwagen an die Spitze, sondern löste auch
einen wahren Turbo-Boom aus. Es war ein mutiger Schritt. Zwar waren aufgeladene
Motoren im Rennsport nichts Außergewöhnliches mehr, aber an ein
Straßenfahrzeug mit einer solchen Maschine hatte sich zuvor nur ein
Hersteller gewagt - und Schiffbruch erlitten. Die Kraftkur durch den Lader
ging in der Regel einher mit drastisch verringerter Lebenserwartung des
Triebwerks, hoher Empfindlichkeit und noch kapriziösem Fahrverhalten.
Kurzum: Der Turbo-Motor galt als unzähmbar. |
Die Grundidee:
Ein Rennwagen für die Straße
Die Porsche-Ingenieure wussten es besser -
und konnten es besser: Geplant war eine Kleinserie von direkt aus dem Rennsport
abgeleiteten Grand Turismo-Fahrzeugen mit Straßenzulassung. Das
GT-Reglement jener Zeit schrieb den Bau von 400 Exemplaren vor. So viele
Fahrzeuge konnte Porsche jedoch nicht an Rennfahrer verkaufen. Deshalb entschied
man sich, das Wettbewerbsfahrzeug mit wenigen Zugeständnissen an den
Komfort straßentauglich zu machen. Der Turbo-Motor stand von Anfang
an im Lastenheft. Zum einen hatte Porsche mit den bis zu 1.100 PS starken
Zwölfzylindern "917/10" und "917/30" bereits Erfahrung mit dieser
Technologie gesammelt. Zum anderen schien der 1963 als Zweiliter mit 130
PS vorgestellte 911-Motor ohne Aufladung für Siege im Rennsport nicht
mehr ausreichend Potenzial für Leistungssteigerungen zu besitzen. 330
PS leistete 1974 der für den Wettbewerbseinsatz hochgerüstete Saugmotor
des RSR 3.0. Der im gleichen Jahr eingesetzte 911 Carrera RSR 2.1 realisierte
in der Turbo-Version dagegen bereits 500 PS. Als im Frühjahr 1974 das
erforderliche Mindestgewicht für GT-Rennsportwagen angehoben wurde,
bot sich Porsche die Chance, statt eines verkappten Rennwagens einen
Luxus-Hochleistungssportwagen als Basis für eine Rennsportvariante zu
bauen. Zwischen März 1974 und der Vorstellung im Oktober wurde das neue
Konzept für das Flaggschiff der Porsche-Flotte (mit Straßenzulassung)
in die Realität umgesetzt. Den Nachteilen des turbogeladenen Motors
wie Leistungs- und Beschleunigungsschwäche im unteren Drehzahlbereich
begegnete Porsche durch eine bis dahin nur im Rennsport eingesetzte
Ladedruckregelung über ein Abgasbypassventil. Diese aufwändige
Regelung erlaubte es, den Lader so zu dimensionieren, dass bereits bei niedrigen
Drehzahlen Druck aufgebaut und damit mehr Drehmoment erzeugt wurde. Um die
üppige Leistung im Zaum zu halten, griff Porsche auch beim Thema "Bremsen"
auf seine umfangreichen Motorsport-Erfahrungen zurück und baute
innenbelüftete Scheibenbremsen mit Aluminium-Bremssätteln ein,
die ursprünglich im Porsche 917-Rennwagen für ausgezeichnete
Verzögerungswerte sorgten. Statt 400 sollten es jetzt 1.000 Exemplare
des 911 Turbo 3.0 werden. Doch im besten Sinne wurde dieses Ziel weit verfehlt:
Bis 1977 wurde der 911 Turbo 3.0, für damalige Verhältnisse mit
elektrischen Fensterhebern und Stereo-Kassettenradio ab Werk luxuriös
ausgestattet, 2.876 Mal gebaut. |
1977: Der Porsche
Turbo erreicht die magische Grenze von 300 PS
Als im Frühjahr 1975 die Auslieferung
des Porsche 911 Turbo begann, glaubte niemand ernsthaft daran, dass eine
Leistungssteigerung für ein derartiges Auto jemals wünschenswert
wäre. Doch die Wünsche kamen. Porsche erfüllte sie 1977 mit
dem 911 Turbo 3.3, dessen vergrößerte Maschine dank
Ladeluftkühlung jetzt die magische Zahl von 300 PS leistete. Dieser
unter der Typbezeichnung "930" laufende Sportwagen ist bis heute eine Legende.
Im Zuge der stetigen Weiterentwicklung gelang den Porsche-Ingenieuren 1982
ein großer Schritt: Durch eine gründliche Optimierung der
Gemischaufbereitung sank der Verbrauch trotz unveränderter Leistung
deutlich: Statt mit 20 Litern kam man jetzt mit 15,5 Litern durch den
Stadtverkehr, bei Tempo 120 begnügte sich der Turbo mit 11,8 statt bisher
15,3 Litern. 1987 gesellten sich eine Targa-Variante und ein Cabriolet zum
bisherigen Coupé. Für anfangs 152.000 DM erhielten die Kunden
eines der schnellsten offenen Autos der Welt, auf Wunsch und ohne Mehrpreis
einschließlich elektrisch betätigtem Verdeck. Ein Jahr später
löste ein Fünfganggetriebe die bisherige Schaltbox mit vier
Gängen ab. Durch die enge Gangabstufung konnte der Ladedruck beim Schalten
noch konstanter gehalten werden, die mögliche Beschleunigung aus dem
Stand auf Tempo 100 sank um zwei Zehntel auf 5,2 Sekunden. Bis 1989 entwickelte
sich der Porsche Turbo zum schnellsten Dauerbrenner auf dem deutschen
Automobilmarkt: Optisch nahezu unverändert wurden knapp 21.000 Sportwagen
gebaut. Nach einer Produktionspause von zwei Jahren präsentierte Porsche
1991 einen neuen Turbo. Der 3.3-Liter-Motor leistete 320 PS, das neue Fahrzeug
basierte auf der 911-Reihe mit der internen Bezeichnung "964". Im Jahr 1993
hat Porsche dieses Modell modifiziert. Als 911 Turbo 3.6 realisierte er nun
360 PS. |
1995: Geringe
Abgas-Emissionen setzen Maßstäbe im Sportwagenbau
Die Modellreihe "964" wurde vom Modelljahr
1994 an durch den Typ "993" ersetzt. Der neue Turbo im 911-Programm ließ
allerdings noch einige Zeit auf sich warten. Dann aber setzte die 1995
vorgestellte nächste 911 Turbo-Generation Ausrufezeichen im Sportwagenbau.
Einige Merkmale: Der Motor dieses 911 Turbo basierte auf dem luftgekühlten
3,6-Liter-Triebwerk des 911 Carrera und leistete mit zwei Turbo-Ladern bei
5.750/min 408 PS. Von 0 auf 100 km/h beschleunigte der 911 Turbo in 4,3 Sekunden,
die Höchstgeschwindigkeit betrug 293 km/h. Die Abgasanlage war mit zwei
Metall-Katalysatoren und vier Lambdasonden bestückt. Einen wertvollen
Beitrag zum Umweltschutz leistet bis heute das On-Board-Diagnose II-System
(OBD II). Dieses System ist weltweit in allen 911-Turbo-Fahrzeugen eingebaut.
Permanent werden alle abgasrelevanten Bauteile überprüft. Auftretende
Fehler werden sofort erkannt und über eine Warnlampe im Cockpit angezeigt.
Der "993"-Turbo überzeugte weltweit durch besonders geringe
Abgas-Emissionen. Noch eine einschneidende Neuerung war der vom 911 Carrera
4 übernommene Allradantrieb. Dieser Schritt optimierte Fahrverhalten,
Traktion und Fahrstabilität. Front- und Heckpartie wurden neu gestaltet
- auch der Schwellerbereich war den ausgestellten Kotflügeln angepasst.
Das einteilige Bugteil besaß vergrößerte Lufteinlässe.
Neu entwickelt wurde auch der feststehende Heckspoiler. Die Luftwiderstandswerte
konnten durch die Abrisskante am Bugunterteil und durch
strömungsgünstige Gestaltung des übrigen Bugbereichs optimiert
werden. Die Auftriebswerte von Vorder- und Hinterachse betrugen nahezu null.
Von diesem 911 Turbo wurden 6.314 Exemplare gebaut. |
2000: Mehr Leistung,
weniger Verbrauch
Der aktuelle Porsche 911 Turbo (Baureihe
"996") - wieder mit Allrad-Antrieb und Bi-Turbo-Technik - gehört nicht
nur zu den schnellsten und stärksten Sportwagen, sondern er erhielt
bei seiner Vorstellung im Februar 2000 das Prädikat des "weltweit saubersten
Automobils". LEV lautet in den USA die Abkürzung für "Low Emission
Vehicle" - der ausgesprochen sparsame Turbo-Saubermann erfüllt diese
strenge Abgasnorm ebenso wie die Vorgaben von Euro 3 oder D4. Der Verbrauch
konnte gegenüber dem hoch gelobten Vorgänger noch einmal um 18
Prozent auf 12,9 Liter/100 Kilometer (EG-Norm) verringert werden. Die Abgaswerte
gingen um 13 Prozent zurück. Möglich wurde dies durch
Vierventil-Technik, Wasserkühlung und vor allem dem Einsatz von "VarioCam
Plus", Nockenwellen-Verstellung und Ventilhub-Umschaltung. "VarioCam Plus"
vereinigt zwei Motorkonzepte in einem: Mit Hilfe dieser Technik lassen sich
Leistung und Drehmoment optimieren; gleichzeitig ist es möglich, den
Kraftstoffverbrauch und die Abgas-Emissionen zu senken sowie die Laufkultur
zu verbessern. Die Katalysatoren befinden sich unmittelbar hinter den
Turbo-Ladern. Ein erster Katalysatorträger mit kleinem Volumen ist auf
schnelles Anspringen nach dem Kaltstart angelegt. Der Hauptkatalysator ist
für eine optimale Abgasumwandlung im betriebswarmen Zustand ausgelegt.
Ein On-Board-Diagnose-System (OBD) prüft, wie bereits beim Turbo der
"993"-Baureihe, sämtliche abgasrelevanten Bauteile und Funktionen. Die
OBD erkennt jede Abweichung vom Sollsystem sofort, weil die Abgase elektronisch
ständig überwacht werden. Fehler meldet ein Instrument im Cockpit. |
Keramik-Bremsscheiben
auf Wunsch
Von den übrigen 911 Carrera-Modellen ("996") unterscheidet sich die
aktuelle Turbo-Version deutlich durch die markanten Lufteinlässe am
Bug. Das Heck wird von einem neu gestalteten Flügel und den Luftein-
und Auslässen für die Ladeluftkühlung geprägt. 420 PS,
4,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h sowie 305 km/h Höchstgeschwindigkeit
lauten die Leistungsdaten. Seit Herbst 2000 kann der Turbo auch mit
Keramik-Verbundbremsscheiben bestellt werden. Der 911 Turbo veränderte
seinen Charakter in drei Jahrzehnten nicht: Außerordentliche Sportlichkeit,
überragende Beschleunigung und gediegener Luxus (Fünfgang-Automatik,
Tiptronic S, Leder-Ausstattung) sowie Qualität und Wertstabilität
haben den Sportwagen in den vergangenen drei Jahrzehnten zu einem Klassiker
reifen lassen, der in der Automobil-Historie einen ganz speziellen Platz
einnimmt.
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Porsche Presse Information,
August 2004 |
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